Gier by Arne Dahl

Gier by Arne Dahl

Autor:Arne Dahl [Dahl, Arne]
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2012-02-05T23:00:00+00:00


Ground Zero

New York, 11. April

Es muss der Sommer sein, der da vom Atlantik her hereinbricht. Es ist, als würde jemand ein Stemmeisen in den grauen Morgenhimmel rammen und die Wolkendecke aufbrechen. Woraufhin hellblaue Flecken durch die Risse sickern und den Weg für eine nahezu labyrinthförmige Anordnung von Lichtsäulen bereiten, die eine nach der anderen vom Himmelsgewölbe herabschießen. Die Sonne scheint während ihrer langen Abwesenheit Kraft gesammelt zu haben und schickt ihre Strahlen jetzt mit neuer Energie auf die Erde.

Das Merkwürdige ist, dass es ausgerechnet hier geschieht. Er sitzt in der Bar des Millennium Hilton in der Church Street, die sich einige Stockwerke über dem Erdboden befindet, und wartet. Er blickt geradewegs über Ground Zero hinweg. Die gesamte Fläche ist noch immer eine Baustelle. Während der lähmenden Jahre danach scheint sich nicht viel getan zu haben. In den Jahren, in denen es keiner begreifen konnte.

Marek Kowalewski war in seinem Leben noch nicht sehr weit herumgekommen. Das polnische Polizeigehalt, von dem er sein gesamtes erwachsenes Leben bestreiten musste, hatte ihn nicht gerade in die Umlaufbahn um den Erdball katapultiert. Zu den einstürzenden Zwillingstürmen hatte er keinerlei Beziehung. Er war nicht älter als zwanzig, als der Rauch über Manhattan aufstieg, und da wusste er mit Müh und Not, wo Manhattan lag.

Doch jetzt, als sein Blick über das weitläufige und dennoch klar abgegrenzte Gebiet schweifte, und er sah, wie sich das eigenartige Labyrinth aus Licht über den rudimentären Fundamenten auf der Baustelle abzeichnete, begriff er, was für eine Bedeutung dieses Erdloch in der Weltstadt haben musste.

»Erstaunlich, oder?«, fragte eine weibliche Stimme direkt neben seinem rechten Ohr. Er drehte sich um und erblickte eine elegante Frau in den Dreißigern mit dunklem Teint, die ihm ihre Hand entgegenstreckte. Er ergriff sie und schüttelte sie, und erst, als er sie wieder losließ, wurde ihm klar, wen er gerade begrüßt hatte.

»Hannah Rowlins?«, vergewisserte er sich und blickte die Frau an, die er nur schwerlich mit dem Kleinkriminellen Radoslaw Trzciński aus Krakau zusammenbringen konnte.

Sie nahm neben ihm Platz, sodass sie in dieselbe Richtung schaute wie er.

»Es gibt immer noch Leute, denen es schwerfällt zu begreifen, dass hier der Ort war, an dem alles passiert ist«, sagte Hannah Rowlins. »Drei gigantische Gebäude sind eingestürzt – denn es waren schließlich drei, das darf man nicht vergessen – und alle sind geradewegs in sich zusammengefallen, ohne auch nur im Geringsten zur Seite zu kippen. Fakt ist, dass ansonsten große Teile Manhattans zerstört worden wären.«

»Das verstehe ich nicht ganz«, gab Kowalewski aufrichtig zu.

»Es ist eine lange Geschichte«, begann Rowlins. »Die Twin Towers besaßen eine Stahlkonstruktion. Stahl schmilzt nicht gerade leicht. Jedenfalls ist noch keine andere Stahlkonstruktion auf der Welt eingestürzt, weil der Stahl geschmolzen wäre. Aber hier waren es drei, am selben Tag. Und der Stahl ist außerdem vollkommen regelmäßig geschmolzen, sodass alle drei Gebäude eleganter in sich zusammenfielen als bei einem geplanten Abriss.«

»Das ist es also, was die Konspirationstheorien auslöst, oder?«, fragte Kowalewski und bereute es sofort.

Aber Hannah Rowlins lachte lediglich laut auf und erwiderte: »Genau.«

Er betrachtete sie nun etwas eingehender, ihren



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